Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) drängt auf eine grundlegende Überprüfung des sogenannten „Kassengesetzes“. Das Gesetz, das seit 2016 Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen verhindern soll, sorgt laut einer aktuellen DIHK-Befragung in der Praxis für erhebliche Belastungen der Unternehmen. Während die Wirtschaft das Ziel der Bekämpfung von Steuerbetrug ausdrücklich unterstützt, zeigen die Ergebnisse: Die aktuellen Regelungen sind übermäßig bürokratisch, kostenintensiv und häufig ineffizient.
Mehr Kontrolle, mehr Aufwand – aber kaum Nutzen
Mit dem Kassengesetz sollten Kassenvorgänge fälschungssicher und transparent gemacht werden. Dafür müssen elektronische Kassensysteme mit einer sogenannten Technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) ausgestattet sein, die jede Eingabe unveränderlich speichert. Hinzu kommen die Belegausgabepflicht bei jedem Kauf sowie die elektronische Meldung der Kassensysteme an die Finanzverwaltung. Seit Anfang 2025 darf das Finanzamt zudem unangekündigt Betriebsstätten prüfen („Kassennachschau“). Was als Maßnahme gegen Steuerhinterziehung gedacht war, ist für viele Betriebe inzwischen zum bürokratischen Dauerthema geworden.
Eine bundesweite DIHK-Befragung im Sommer 2025 zeigt, wie hoch die Belastungen tatsächlich sind: Über die Hälfte der rund 1.000 befragten Unternehmen musste neue Kassensysteme anschaffen, weil alte Geräte nicht nachrüstbar waren. Bei sechs Prozent waren es sogar mehr als zehn Systeme. Hinzu kamen erhebliche Kosten für Installation, Schulung und Software-Updates – ganz zu schweigen vom Aufwand bei technischen Problemen.
Technische Pannen und hoher Bürokratieaufwand
36 Prozent der befragten Unternehmen berichteten von Ausfällen ihrer TSE-Systeme. Bei 40 Prozent dieser Fälle dauerten die Störungen bis zu einen Tag, bei 20 Prozent sogar bis zu einer Woche. „Solche Ausfälle bedeuten nicht nur Zeitverlust, sondern auch Einnahmeausfälle und zusätzliche Unsicherheit im Betriebsalltag“, heißt es von der DIHK. Besonders kleine und mittlere Unternehmen seien davon betroffen, da sie keine eigene IT-Abteilung zur Fehlerbehebung hätten.
Auch die vorgeschriebene Belegausgabepflicht stößt auf breite Kritik. 73 Prozent der Betriebe drucken ihre Kassenbelege weiterhin auf Papier aus – häufig, obwohl Kunden diese gar nicht wünschen. „Unmengen an Papier landen direkt im Müll, ohne einen Mehrwert für die Steuerkontrolle zu schaffen“, so die DIHK. Für große Filialbetriebe summieren sich die Kosten für Belege und Druckerwartung auf Millionenbeträge jährlich. Dabei könnten Finanzprüfer Kassenbetrug auch ohne Bon leicht aufdecken – etwa durch anonyme Testkäufe und die Auswertung elektronischer Kassendaten.
Elektronische Meldung sorgt für Verunsicherung
Ein weiterer Kritikpunkt: die verpflichtende elektronische Meldung aller Kassensysteme an das Finanzamt. Zum Befragungszeitpunkt hatten erst rund 50 Prozent der Betriebe diese Pflicht umgesetzt. Jeder fünfte Betrieb war auf technische oder organisatorische Schwierigkeiten gestoßen, fast jeder zweite musste sich Hilfe beim Steuerberater holen. „Viele Unternehmen sind schlicht überfordert mit den komplexen Meldeanforderungen, die sich zudem von Bundesland zu Bundesland unterscheiden“, betont die DIHK.
Die unangekündigte Kassennachschau führt zusätzlich zu Unsicherheiten. Rund ein Drittel der befragten Unternehmen gab an, dass der Geschäftsbetrieb während der Kontrolle unterbrochen werden musste – oft mitten im Tagesgeschäft. Diese Eingriffe seien laut DIHK unverhältnismäßig, insbesondere wenn keinerlei Verdachtsmomente vorlägen.
Betriebe fühlen sich unter Generalverdacht gestellt
Die Wirtschaft unterstützt das Ziel, Steuerbetrug zu verhindern – aber nicht um den Preis ausufernder Bürokratie. „Das Kassengesetz darf nicht alle Unternehmen pauschal unter Verdacht stellen“, fordert die DIHK. Es müsse zwischen risikoreichen und risikoarmen Branchen unterschieden werden. Statt die gesamte Wirtschaft mit aufwendigen technischen Vorschriften zu überziehen, sollten die Finanzbehörden gezielt dort prüfen, wo Manipulationen tatsächlich wahrscheinlich seien.
Zudem kritisiert die DIHK, dass das Gesetz auf Annahmen beruht, die nicht ausreichend empirisch belegt sind. Die bisherige Begründung stütze sich auf eine OECD-Studie zu Betrugsfällen in der kanadischen Gastronomie – eine zweifelhafte Grundlage für die deutsche Wirtschaft. „Wir brauchen belastbare Zahlen über das tatsächliche Ausmaß von Kassenmanipulationen hierzulande, bevor wir Betriebe mit Pflichten überziehen, die kaum Wirkung zeigen“, so die Kammer.
DIHK fordert gezielte Reformen statt Symbolpolitik
Um die Effizienz der Maßnahmen zu erhöhen und die Wirtschaft zu entlasten, hat die DIHK konkrete Reformvorschläge vorgelegt:
- Eine umfassende Überprüfung der Wirksamkeit aller bestehenden Maßnahmen.
- Eine TSE-Pflicht nur für risikobehaftete Branchen oder Umsatzsegmente.
- Eine schnelle Umsetzung der geplanten Streichung der Belegausgabepflicht, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen.
- Klare rechtliche Vorgaben für das elektronische Meldeverfahren, um Unsicherheiten zu vermeiden.
- Kein Zwang zum Einsatz elektronischer Kassensysteme in Kleinstbetrieben – die offene Ladenkasse müsse weiterhin erlaubt bleiben.
- Systemprüfungen statt Einzelfallkontrollen durch die Finanzverwaltung, um Ressourcen zu schonen und die Digitalisierung effizient zu nutzen.
Bürokratie abbauen, Vertrauen stärken
„Die ehrlichen Unternehmerinnen und Unternehmer dürfen nicht zu Leidtragenden überzogener Misstrauenskultur werden“, mahnt die DIHK. Eine moderne, digitalisierte Steuerverwaltung könne Manipulationen viel gezielter erkennen – ohne die Wirtschaft mit zusätzlicher Bürokratie zu überfrachten. Ziel müsse es sein, Betrug effektiv zu bekämpfen, aber mit Augenmaß und Respekt gegenüber den ehrlichen Betrieben. Nur so könne das Kassengesetz zu einem Instrument werden, das Vertrauen stärkt, statt Misstrauen zu säen.












